Team Passion Fruit
Sexspielzeug in der Physiotherapie
Aktualisiert: 5. Apr.
Viele kennen die Physiotherapie als Anlaufstelle für die Rehabilitation nach einem Kreuzbandriss oder einem Schlaganfall. Wenige wissen, dass sich Physiotherapeut*innen auch mit den Gebieten der Gynäkologie und Urologie beschäftigen.
Muskeltraining für den Beckenboden
Eine schwache Beckenbodenmuskulatur kann zu Problemen wie Harn- oder Stuhlinkontinenz, einer Senkung des Uterus oder gar einem Prolaps des Uterus und/oder der Vagina führen. Wer jetzt denkt, dass Inkontinenz nur etwas für ältere Menschen ist, der irrt. Die Ursachen für eine Beckenbodenschwäche können in schlechter Körperhaltung, chronischem Husten, Übergewicht, den Folgen einer Operation (z.B. bei Geschlechtsanpassung, Prostata- oder Gebärmutterhalskrebs) und in zu großer körperlicher Belastung im Verhältnis zur Kraft des Beckenbodens, liegen.
Stellen die Ärzt*innen bei Frauen eine Schwäche des Beckenbodens fest, können die Physiotherapeut*innen helfen: Neben anatomischer Aufklärung, Gymnastikübungen und Wahrnehmungsschulung (übrigens auch wichtig für Orgasmen!) werden zur Kräftigung auch Konen eingesetzt. Hierbei handelt es sich um kleine Gewichte, meist zwischen 20 und 60 Gramm, welche die Patientin zuhause vaginal wie ein Tampon einführt und dann im Stehen oder Gehen einige Minuten „halten“ muss. Dieses Halten geschieht durch eine Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur, wodurch diese aktiviert und trainiert wird.
Funfact: Unser Beckenboden besteht aus 3 Schichten, welche neben der Schließ-& Öffnungsfunktion zur Entleerung von Darm und Blase, der Unterstützung der aufrechten Körperhaltung und Rumpfstabilisation auch die Sexualfunktion unterstützen, denn: Ein gut trainierter Beckenboden kann das Erreichen und die Intensität des Orgasmus fördern.
Good Vibes für das Lymphgefäßsystem
Das Lymphgefäßsystem steht in enger Verbindung mit unserem Blutkreislauf und übernimmt einen Teil des Flüssigkeitstransports in unserem Körper. Das Gefäßsystem zieht sich durch den ganzen Körper, wobei z.B. die Leistenlymphknoten als Sammelstelle für die Lymphflüssigkeit aus Analregion und äußeren Genitalen (Schamlippen, Hoden) und die inneren und/oder äußeren Beckenlymphknoten als Kollektoren für Uterus, Penis und die Dammregion gelten.
Kommt es nun aufgrund einer Operation oder einer temporären Abflusshinderung zu einem Stau der Lymphflüssigkeit (Schwellung), kann eine Drainage unterstützend wirken. Diese wird von Physiotherapeut*innen durch manuelle Lymphdrainage durchgeführt. Jedoch liegt die Hemmschwelle zu dieser Therapie im Genitalbereich sowohl bei Patient*innen, als auch bei Therapeut*innen sehr hoch. Aus diesem Grund empfehlen mittlerweile einige Lymphtherapeut*innen den Einsatz von Vibratoren. Nach Abklärung mit den Ärzt*innen können diese von Patient*innen selbst auf niedriger Intensität an den äußeren Genitalien angelegt werden und sorgen durch die Schwingungen des Gewebes für eine Transportsteigerung der Lymphflüssigkeit. Somit wird die Schwellung reduziert und die erogenen Zonen stimuliert.
Liegen keine Kontraindikationen (u.a. frische Operation, noch nicht verheilte Narben, Entzündungen) vor, können Vibratoren auch intravaginal zur Lymphtherapie verwendet werden. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass die tiefsitzenden Beckenlymphknoten und -bahnen angeregt werden- ein Effekt den keine*r der Therapierenden erreichen würde. Durch das Einführen wird die Vaginalwand in Schwingung versetzt, durch die Erregung kontrahiert die Beckenbodenmuskulatur. Somit wird die Vagina in ihrer ganzen Länge sanft zum Lymphtransport angeregt. Ähnliches gilt für die Analregion: Durch vibrierende Analplugs kann die Damm- und Gesäßregion, bei Männern auch das Prostatagebiet erreicht werden. Die vom Gerät ausgehenden Schwingungen regen die Muskulatur und die Lymphbahnen an, mit dem Ziel der Schwellungsreduktion.
Bei all den oben beschriebenen Einsatzgebieten von Sexspielzeug im physiotherapeutischen Bereich ist es notwendig, dies mit den Therapierenden abzusprechen. Diese können in Absprache mit Ärzt*innen sichergehen, dass keine Kontraindikationen zum Gebrauch vorliegen, sowie eine korrekte Benutzung im therapeutischen Sinn anleiten.
Nico ist Physio- und Lymphtherapeutin und hat diesen Artikel für uns geschrieben.